Sonntag, 27. Januar 2008

Darf ein Supermarkt die Stadt spalten?

Der Bürgerentscheid ist kein pro oder contra Eckardt, es ist ein pro und contra Transparenz. Oder etwa doch?

- Ein Gastkommentar von „badesalz“

In zwei Wochen findet der Bürgerentscheid pro/contra Schießwasenareal statt. Die Wogen schlagen nicht erst in den letzten Wochen hoch. Befürworter wie Gegner bringen Ihre Argumente an den Mann und die Frau. Ob mit Hochglanzprospekten oder mit Plakaten in den Schaufenstern - um was es hier wirklich geht, kommt von beiden Seiten aus zu kurz. Worum geht es denn eigentlich?

Ein Investor möchte einen großen Supermarkt bauen. Ein absolut berechtigter Wunsch. In unserer freien Marktwirtschaft darf jeder versuchen, mit seiner Investition profitabel zu arbeiten, solange er nicht Leib und Leben anderer gefährdet. Dass ein Supermarkt Menschen und deren Gesundheit gefährdet, dürfte als ausgeschlossen gelten. Ein Supermarkt ist keine Aluschmelze, kein Atomkraftwerk und auch keine Waffenfabrik. Es ist und bleibt ein profaner Supermarkt.

Doch halt! Es sind zwei Investoren bzw. zwei Handelskonzerne, die einen Supermarkt bauen möchten. Die einen an der Raiffeisenstraße (EDEKA), die anderen (REWE) eben am Schießwasen.

Als einfacher Bürger ist man geneigt zu sagen, sollen die doch 5 Supermärkte bauen, oder sechs oder sieben. Der Markt und die Nachfrage (schlicht: die Käufer) werden entscheiden, ob die Investition sinnvoll ist, oder nicht.

Doch ganz so einfach scheint es in Bad Windsheim nicht zu sein, wenn es sich um Supermärkte handelt. Während wir phasenweise 3 Drogeriemärke hatten, 5 Apotheken vor Ort tätig sind, unzählige Metzger und Bäcker um die Kundschaft buhlen, polarisieren Supermärkte in unserer Stadt. Man erinnere sich nur an den Bürgerentscheid, der sich schlichtweg darum drehte, ob ein Supermarkt geschätzte 250 m weit umziehen darf oder nicht. Mit Aldi, Lidl und Norma waren drei Discounter vor Ort und ohne Aufsehen kam Plus noch hinzu.

Jetzt kommt der Einzelhandel ins Spiel. Der heimische Einzelhandel klagt sicher zu Recht über gesunkene Umsätze. Zu Recht deshalb, weil jeder klagen darf, der mit seinem Geschäftsverlauf nicht mehr zufrieden ist. Ob es im Einzelfall nicht vielleicht am einzelnen Laden liegt, sei dahingestellt. Unstrittig ist auch, dass insbesondere die Discounter im Non-Food-Bereich dem heimischen Einzelhandel Wasser abgraben. Klamotten kann man eben auch seit Jahren bei Aldi und Co. kaufen. Auch Geschäfte wie Kik, NKD und Takko machen einen erheblichen Umsatz im Bereich von Kleidung. Unstrittig ist auch, dass große Supermärkte wie z.B. der Handelshof einen beachtlichen Non-Food-Bereich haben.

Ganz einig scheint sich der Einzelhandel aber auch nicht zu sein. Wenn man bedenkt, dass es z.B. Schuhgeschäfte gibt, deren Eigentümer oder Familien von Mitarbeitern dezidiert für den Stadtrat für die FWG als Hauptunterstützer der Ansiedlung von REWE am Schießwasen kandidieren, scheint auch der Einzelhandel durchaus gespalten zu sein.

Aber worum geht es für Bürger, die nicht unbedingt mit dem Einzelhandel verbandelt sind? Also für Lieschen Müller, wie mich?

Von mir aus können die noch die schon eingangs zitierten 5 Supermärkte bauen. Ich ärgere mich wie vermutlich viele andere "Konsumenten" auch, wenn ich um 5 nach 12 vor einer verschlossenen Ladentüre stehe. Ob mir da allerdings ein weiterer Großmarkt hilft, weiß ich nicht.

Nur frage ich mich, wie kann es sein, dass der Plan von REWE eine ganze Bürgerschaft spaltet?

Ich denke, es hat ausschließlich einen Grund: Es ist die Unsicherheit über die wahren Motive, warum ein Supermarkt am Schießwasen von unserem Bürgermeister derart gepusht wird, während ein anderer Supermarkt unbedingt verhindert werden soll. Und damit einhergehend die Angst vor unkalkulierbaren Kosten. Wenn ich es mir überhaupt vorstellen kann, Millionen in einen Supermarkt zu investieren, so frage ich mich, wie ich auf einen grünen Zweig kommen kann, wenn ich nicht nur einen Supermarkt baue, der ja auch für mich als Investor profitabel sein soll. Ich muss ja auch noch - jetzt übertreibe ich ein wenig - ein Fußballstadion nebst Vereinsheim bauen und einem Schützenverein zu einem neuen Heim und einer neuen Schießanlage verhelfen. Ich müsste noch Kreisverkehre bauen, einen großen Supermarkt im Überschwemmungsgebiet gegen Hochwasser schützen und den Schulen zu einem sicheren Schulbushafen verhelfen.

Wie kann sich das rechnen? Auch ich koche doch nur mit Wasser, will heißen, meine Investition muss sich lohnen. Ich habe wie wohl die meisten Bürger keinen Durchblick über die genauen Grundstückspreise, über die effektiv fließenden Unterstützungen an die beiden Vereine. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass hier etwas läuft, das ich zum heutigen Tage nicht wissen darf.

Als Fußballfan - Schützen gehören nun nicht unbedingt zu meinem Vereinsraster - bin ich auch der Meinung, dass Breitensport unterstützt gehört. Aber warum denn nicht offen?!

Wenn der FSV nach der schlimmen wirtschaftlichen Phase Ende der 80er Jahre mit dem Rücken zur Wand steht, warum sagt die Politik nicht einfach: Wir sind uns unserer Verantwortung für die ugend bewusst und unterstützen Euch die nächsten 10 Jahre mit jährlich einer Summe x? Wäre das nicht ehrlich?

Glaubt ernsthaft jemand, es gäbe einen Bürgerentscheid gegen die Hilfsmaßnahme für einen Windsheimer Traditionsverein? Sicher, man löst vielleicht eine Lawine aus, weil dann auch andere Vereine um Hilfe rufen. Man wird eine Lösung finden müssen. Aber auch das ist Aufgabe der öffentlichen Hand. Nicht nur Straßen zu Vereinen der oberen 10.000 wie dem Golfclub nach einem Bürgermeister benennen. Städtische Mittel gehören auch hier wohl überlegt eingesetzt. Wer Supermärkte bauen will, soll das von mir aus tun. Aber auf eigene Kosten! Aber nicht nur für 2 Vereine und dann unter für uns Bürger nicht nachvollziehbaren Rahmenbedingungen.

Solange ein anderer Investor, und mag uns der Fürsprecher mit seinen Leserbriefen noch so oft um den Genuß des Croissants beim Frühstück bringen, weil man die Zeilen dreimal lesen muss, um sie zu verstehen, das garantiert, sollte man ihn bauen lassen. Aber keine unkalkulierbaren Wagnisse eingehen am Festplatz.

Jetzt im Moment ist die Situation verfahren. Die Schießwasen-Gegner tun so, als ob ein Supermarkt plötzlich die komplette Innenstadt zerstören würde. Das ist doch lächerlich. Aber keinen Deut weniger lächerlich als die Begründung, man brauche einen Supermarkt ausgerechnet und nur und ausschließlich am Schießwasen, weil man das Entree der Stadt verschönern will. Das ist nun wirklich ein peinliches und absurdes Argument. Jeder Besucher dieser Stadt, der z.B. zur Therme fährt, kommt doch überhaupt nicht am Schießwasen vorbei, sondern muss an Eisengießerei, Fundgrube u.v.a. vorbeifahren. Wenn ein Entree derart wichtig wäre, wäre die Therme längst geschlossen, weil die Gäste umdrehen würden. Irgendwie habe ich den Eindruck, als ob man hier - entschuldigen Sie den Ausdruck - verarscht werden würde.

Die Politik, und da komme ich am Bürgermeister Eckardt leider nicht vorbei, macht hier alles falsch, was man nur falsch machen kann. Man spaltet die Bürgerschaft. Nicht in die Lager für oder gegen einen Supermarkt, für Protektionismus der Einzelhändler oder gegen, nicht für oder gegen eine schönere Einfahrt in die Stadt. Man spaltet die Bürger jetzt gezielt in ein für oder gegen die Vereine. Dabei unterschlägt man, dass es in Bad Windsheim nicht nur viel mehr Vereine gibt, als Schützen und FSV, sondern man macht Schützen gar zum Breitensport. Das ist Augenwischerei!

Solange ich nicht schwarz auf weiß habe, dass mich der Schießwasen nicht nur einen einzigen Cent kostet, solange sage ich NEIN zum Schießwasenprojekt. Nein, weil es unkalkulierbar ist. Nein, solange nur 2 Vereine isoliert unterstütz werden. Nein, solange es keinen kostenneutralen Festplatz gibt.

Ich habe schon sehr viele Kommentare hier geschrieben und ich bin nun wirklich kein Freund dieses Bürgermeisters und seiner Amigos (= Freunde!). Für mich ist der Bürgerentscheid kein Entscheid pro und contra Eckardt, sondern einer pro und contra transparenter Finanzierung. Und eine pro transparente Finanzierung heißt für mich: Nein zum Schießwasen!
Über den Bürgermeister stimmen wir später ab. Und ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass einer der anderen Kandidaten ein Vereinsförderprogramm auflegt.

Eine Bürgerschaft mit einem Supermarkt zu spalten, das gab es schon einmal. Unter Bürgermeister Eckardt. Und auf aller guten Dinge sind drei will ich nicht warten. Aber darüber entscheidet der Wähler am 02. März und nicht beim Bürgerentscheid.