Montag, 1. Oktober 2007

Täter-Opfer-Theorie nach Dehner – oder: Das Strafrecht wird neu geschrieben und die Sozis sind schuld

Wir zitieren mal Herrn Dehner - bzw. vielmehr zitieren wir die WZ vom 28.09.2007: " Wilhelm Dehner von der Liste Land hatte auch noch etwas auf Lager: „So ganz freisprechen kann ich die SPD nicht“, so Dehner, denn am Tag nach der München-Fahrt sei im Blog Klage über die vermeintlich ungerechte Kartenverteilung geführt worden. Man habe sich dabei über Fahrtteilnehmer lustig gemacht."

Das Adjektiv „vermeintlich“, das Herr Dehner hier verwendet, bedeutet laut Duden Online-Recherche: „(irrtümlich, fälschlich) vermutet, angenommen; scheinbar:“. Wie die Faust aufs Auge passt das angegebene Beispiel: Der vermeintliche Gangster entpuppte sich als harmloser… Das bedeutet, dass sich Herr Dehner sicher ist, dass die Kartenverteilung eben gerecht war.

Wir fassen zusammen: Weil im Internet - neufränkisch auch Blog genannt - über ein Ereignis berichtet wird, sind die, die das Ereignis erlebt haben (nach der Dehner-Theorie) Täter (hier: Blogger.) Ganz wichtig erscheint Herrn Dehner offenbar die Feststellung, dass nur Opfer, nicht aber Täter oder Zeugen berichten können. Verwirrend? Ein Beispiel:

Der Bürgermeister Böser Bube spaziert mit 4 Stadtratskollegen durch den Ort. Ihn begleiten drei von der Fraktion „Die lieben im Rathaus (DL) “ und ein Gesandter der „Verkappten Kommunisten (VK)“. Der Stadtrat Ingo Intrigant (VK) beklagt, dass er es ungerecht findet, dass er keinen Fraktionskollegen zum Spaziergang mitnehmen durfte. Die DL-Stadträte und der Bürgermeister kennen die Klage des Ingo Intrigants.

Nach der bahnbrechenden Täter-Theorie nach Dehner ist die Rechtslage diese: Nur das Opfer kann über die vermeintliche Benachteiligung berichten. Der Bürgermeister Böser Bube kann genauso wenig wie die Stadträte der DL-Fraktion über diesen Umstand berichten. Nach der Dehner-Theorie sind somit Passanten, die beim Spazierengehen zufällig hören, wie sich Ingo Intrigant beklagt, keine Zeugen, sondern als potentielle Täter zu behandeln, sobald Personen, die weder Zeugen sind noch zum ursprünglichen Spaziergängerkreis rund um Herrn Böser Bube zählen, von der Unterhaltung des Spaziergangs erfahren.

Die Theorie des Rechtsgelehrten macht es den Ermittlungsbehörden in Zukunft leicht: Sobald in Zukunft im Internet von einem Banküberfall zu lesen ist, sind alle, die vom Banküberfall wussten (bislang: Täter, Opfer und Zeugen genannt) Täter. Täter deshalb, lieber verwirrter Leser, weil es kriminell ist, im Internet zu schreiben oder herum zu schmieren (nach der Eckardt-Theorie, die wir gesondert erklären werden). Nur der Bürgermeister an sich kann nie Täter sein. Denn obwohl auch der Bürgermeister bei dem Spaziergang anwesend war und über den Spaziergang berichtet wurde und nach der Dehner-Theorie ja dann alle Täter sein können, ist es der Bürgermeister per Gesetz nicht.

Wem das nun zu verwirrend ist, der möge den gesunden Menschenverstand einschalten: Im vorliegenden „Kartenfall“ gab es eine Fraktion (SPD) die sich beklagte, zuwenig Karten bekommen zu haben. Es ist natürlich schon völlig unverständlich, dass sich die SPD-Fraktion beklagt, wenn sie als größere Fraktion weniger Karten für eine Fahrt des Stadtrats bekommt als die Fraktion der Liste Land. Denn die Liste Land hatte die Karten nur traditioneller eingesetzt: Je Fraktion zwei Karten für Männer. Nehmen die Männer die Ehefrauen mit, erhalten die Männer für die Frauen auch Karten. Wenn die SPD so blöd ist und von sich aus ausgerechnet zwei Frauen schickt, ist es doch nur verständlich, dass es keine Karten für sie gibt.

Sie sehen, bei dieser Agitation gegen eine einzelne Fraktion muss man schon viel Humor mitbringen, um den Verdacht zu verdrängen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Denn wenn ein einzelner Stadtrat, vorsichtig formuliert, merkwürdige Denkansätze präsentiert, so kann das noch als Einzelmeinung abgetan werden. Das eigentlich Skandalöse ist aber, dass nicht ein Aufschrei der Anständigen durch alle Fraktionen gegen derartige Unterstellungen geht. Ich erspare es Ihnen jetzt, diese Tatsache nach der Dehner-Theorie zu beurteilen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Anbei nun die Zusammenfassung des Gelernten:

Dehner Gesetz:
§ 1: Über einen Vorfall können nur Opfer, nicht aber Täter oder Zeugen berichten.
§ 2: Ist im Internet über einen Vorfall zu lesen, kann nach § 1 nur das Opfer berichtet haben.
§ 3. Da nach § 3 Abs, 2 des Bürgermeisterlichen Strafgesetzbuch (BSB) das Verfassens eines Berichts im Internet ungeachtet des Inhalts strafbar ist, ist das Opfer automatisch Täter einer Straftat nach § 3 Abs. 2 BSB.
§ 4: Nur männliche Stadträte haben einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an Ausflugsfahrten.
§ 5: Es ist erlaubt, Sozialdemokraten ein Vergehen nach § 3 zu unterstellen.
§ 6. Der Bürgermeister, sein Stellvertreter und dessen Stellvertreter sind immer unschuldig, auch wenn Sie unter § 1, § 2 oder § 3 fallen

Anschließend schreiben Sie, werter Leser, bitte einen kleinen Aufsatz, in dem die oben genannten 6 Paragraphen jeweils mindestens einmal verwendet werden und sinnvoll zusammen gesetzt sind und senden uns ihre Ausarbeitung bitte zu. Wir teilen Ihnen dann mit, mit welcher Kautionsauflage Sie rechnen dürfen, damit Sie vorerst wieder in die Freiheit entlassen werden.