Montag, 12. November 2007

Wolfgang Eckardt und der Mythos des Eingeborenen

Wenn jemandem nichts mehr einfällt, dann spielt er die letzte Karte. Im Falle Wolfgang Eckardts ist das wieder mal die Karte des Eingeborenen. Gerne erinnert man sich an den Wahlkampf von 1996, der zum Schluss gekrönt wurde von Anzeigen Fritz Eckardts, in denen dieser behauptete, sein Sohn sei der Beste. Er, der Windsheimer Sänger müsse das schließlich wissen. Scheinbar, wenn auch denkbar knapp hat dieses Argument damals verfangen – und das obwohl jeder spätestens bei der Podiumsdiskussion der Kandidaten in den Bürgerbräustuben erfahren hatte, dass Eckardt mit Abstand von jeder Materie am wenigsten Ahnung hatte.

Zusammen mit der Unterstützung der später ausgegrenzten SPD und einer naiven Aussage von Manfred Merz zur Strassenausbaubeitragssatzung hatte es Eckardt geschafft, die Wahl ganz knapp für sich zu entscheiden. Schließlich war er also gewählt, der Einheimische, der Schulkamerad, der Sanges- und Angelbruder, der Kirchweihliedverfasser, der Expertenkartler, der Freund derber Jugendspäße – der Eingeborene eben.

Zunächst schien alles gut zu gehen. Die mangelhafte Ahnung zwang ihn zumindest zum Teil zum Mannschaftsspiel. Die Notwendigkeit Wahlkampflügen zurechtzurücken, erzwang breite Bündnisse. Leute mussten bei der Stange gehalten werden, von denen man Wissen und Kenntnis saugen konnte. Hatte man im Wahlkampf gerade auf den Dörfern noch markig behauptet, man baue das Kongress-Center nicht, galt es jetzt umzuschwenken, sich unterstützen zu lassen, eine breite Plattform im Stadtrat zu suchen, hinter der man diesen Schwenk verbergen konnte. Eine Allparteien-Eia-Popaia-Zusammenarbeit im Stadtrat war Mittel zu diesem Zweck. So war Wolfgang Eckardt sechs lange Jahre gezwungen, Kreide zu fressen, was er auch tat. Das wahre Gesicht wurde sorgfältig verborgen.

Die Wende kam 2002. Eckardt der Eingeborene, ohne Gegenkandidat. Man kann nun spekulieren, ob dieser Umstand schon allein dazu führte, die Maske fallen zu lassen (obwohl die Wahlbeteiligung und das Ergebnis ja nicht berauschend waren). In jedem Fall: Die Maske fiel. Eine neue Koalition musste her. Sie war doppelt genäht. Die innere Naht, das auf geistiger Wahlverwandtschaft gründende Amigobündnis Eckardt-Gerhäuser. Die äußere Naht, die Koalition aus Freier-Wähler-Partei, CSU und Liste Land. Mit heftigsten Tritten an die frische Luft gesetzt: WIR und SPD. Ehemalige Kandidaten des politischen Gegners wurden in der Folge auf die Hörner genommen und demontiert, Stadträte des anderen Lagers diffamiert und bedroht, ein Hexenkessel aus Infamie, Spitzelwesen und Geheimhaltung installiert. Politische und demokratische Diskussion zu jedem Thema abgewürgt, Fragesteller möglichst lächerlich gemacht, gemobbt und rausgeworfen.

Der Einheimische Eingeborene hatte also die Maske fallen lassen. Viele rieben sich verwundert die Augen. Viele wollten ihn nie gewählt haben. Viele können bis heute kopfschüttelnd nicht glauben, sich selbst derartig in einer Person getäuscht zu haben. Dabei hatte man doch gedacht: Der ist eingeboren, den kennen wir. Das steigerte die Fallhöhe der Enttäuschung.

Ein Lernprozess, den man den Windsheimern gerne erspart hätte. Es ist eben wichtig, sich seine Kandidaten, seine Pappenheimer genau anzuschauen. Eingeboren sein ist kein Qualitätsmerkmal und schon gar keine Garantie für eine respektable Persönlichkeit. Genauso ist es kein Manko, wenn Kandidaten auch andere Schauplätze dieser Welt bereits kennen gelernt haben (wohlgemerkt außerhalb von Kasernenzäunen).

Wichtig ist, dass Bad Windsheim wieder bekommt, worauf die alte ehrwürdige Reichsstadt ein Anrecht hat: Einen integren Bürgermeister ohne charakterliche Defizite. Einen Bürgermeister, der sich als Gleicher unter Gleichen versteht. Einen Bürgermeister, der die Stadt als Gemeinwesen für alle und nicht nur für einen von ihm ausgesuchten erlauchten Kreis versteht. Einen Bürgermeister, der nicht spaltet, trennt und polarisiert, sondern der Gemeinsinn nicht nur dann als solchen bezeichnet, wenn er ihm nützt. Wer das möchte, kommt nicht umhin, sich mit den Kandidaten zu beschäftigen, die die Parteien anbieten.

Bürgersinn erfordert, den zu wählen, der für Bürgersinn steht. Bürgersinn erfordert auch jene abzuwählen, deren egomanische Persönlichkeitsverengung demokratische Entfaltung stranguliert. Eingeboren kann kein Kriterium sein – das jedenfalls lehrt die jüngste Windsheimer Geschichte.