Samstag, 22. Dezember 2007

Die Bavaria-Connection.....Politleben mitten im schwarzen Kontinent

Sicher hat fast jeder unserer Leser schon einnmal eines dieser Schreiben erhalten, in denen einem unter dem Betreff eines Confidential Business Proposals oder ähnlichem eine Menge Geld versprochen wurde. Die Geschichte dazu spielt sich meistens in Nigeria ab und nachdem aus einem Geschäft oder einer Erbschaft Geld übrig geblieben sein soll, braucht der Absender/Erbe/Regierungsbeamte einen Treuhänder für die viele Kohle - und der soll nun unser geneigter Leser sein. Als Belohnung winkt ein satter Anteil an der Transaktion - bei unverzüglicher Angabe der Bankdaten würde der geballte Geldfluss schon so fliessen.

Diese Schreiben gelten als Hoaxe und sollen in erster Linie Kontodaten ausspähen. Sie stammen überwiegend aus dem afrikanischen Nigeria. Unter dem Namen Nigeria-Connection wurden sie weltweit bekannt (nicht schmunzeln: Trotz der offensichtlichen Durchsichtigkeit des eigentlichen Motivs fallen jedes Jahr ein paar Tausend Menschen auf den Trick herein). Leider hat sich in Nigeria viele Jahre keiner um diese betrügerischen Aktionen gekümmert und daher kommt allein bei der Nennung des Staates vielen Menschen erst einmal das Hoax-Problem in den Sinn. Selbst schuld, nicht wahr?

Nun, wir schweifen etwas ab. Denn eigentlich wollten wir unseren Lesern die uns viel näher liegende Bavaria-Connection vorstellen. Sie hat ihren Namen deshalb, weil sich in Bayern offensichtlich ein guter Nährboden für dieses recht aktuelle Problem befindet. Der Öffentlichkeit wird dabei suggeriert, daß man in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten Arbeitsplätze schützen müsse, auch wenn man dabei etwas, sagen wir, mauscheln müsse. Seit 1962 regiert in Bayern die CSU mit absoluter Mehrheit und daher lässt es sich heutzutage mit dem "richtigen" Parteibuch im Rücken oder mit einer Spendenbescheinigung für die "richtige" Partei wirtschaftlich und politisch natürlich besser leben als aus jeder anderen politischen Gruppierung heraus. Nicht umsonst wird man hierzulande am Stammtisch nach der Wahl gefragt, ob man(n)/frau denn "richtig" gewählt habe und meint damit unausgesprochen die politisch schwarzen Kandidaten.

Gibt es daher also ein Unternehmen wie Siemens, als Beispiel für eine weltpolitisch Kreise ziehende Bestechungsaffäre, oder einen zweiten Bürgermeister wie Gerhard Gerhäuser (CSU), als Beispiel für einen lokalpolitischen Tsunami, die jeweils auf ihre Weise unter dem Deckmantel der Arbeitsplatzsicherung handfeste Skandal-Schlagzeilen verursachen, dann wird man im Gegensatz zur Öffentlichkeit und zur deutschland- und weltweit erscheinenden Presse in Bayerns Amts- und Richterstuben nicht gerade Worte der Empörung vernehmen.

Siemens wird gerade von einem der größten Korruptionsskandale erschüttert, die jemals auf diesem Planeten registriert wurden. Arbeitsplätze im Raum Erlangen und München und einer der größten Spendengeber der CSU. Das sind gewichtige Argumente für unsere bayerischen Politiker, zwar demonstrativ die Nase zu rümpfen. Aber an Kritik und Konsequenzen daraus wird es aus dem schwarzen Bayern heraus weltweit sicher am wenigsten geben. Auch wenn sich nun bereits die halbe Welt über die Lachnummer kugelt, daß der Staat Nigeria Siemens Aufträge entzogen hat, weil Deutschland und dieses Unternehmen nicht konsequenter gegen Korruption vorgehen. Selbst schuld, oder?

So kurz vor Weihnachten würden auch wir Blogger, wie die meisten Windsheimer mittlerweile reichlich lebkuchenabgefüttert und glühweingeschwängert, lieber versöhnliche Worte zum gestrigen Urteil anstimmen. Aber das Thema ist viel zu ernst, denn durch den Abrechnungsbetrug wurden zwar die Arbeitsplätze der Firma des zweiten Bürgermeisters gesichert, gleichzeitig aber andere Arbeitsplätze von seriösen Mitbewerbern aus dem Landkreis im Umkehrschluss gefährdet. Man muss sich darüber im klaren sein, daß man als Amtsträger, Ausschussvorsitzender, Bauinnungs-Obermeister, Kirchenvorstandsmitglied u.s.w. dann bei Anwendung solcher Methoden für die anderen Bürger nicht mehr tragbar ist.

"Er hat das Vertrauen der Öffentlichkeit noch nicht endgültig verloren" erklärte Richter Hugler bei der Urteilsverkündung vor dem Verwaltungsgericht Ansbach und sprach Gerhard Gerhäuser gestern frei. Wie hat er das gemessen, der Richter Hugler? Das würde uns interessieren. Denn: Wer will dem zweiten Bürgermeister eigentlich noch guten Gewissens ein neues Projekt, ein Problem in der Branche oder einen anderen Sachverhalt antragen, wenn jedem bewusst sein muss, daß dieser Mann im Zweifel seine geforderte Neutralität über Bord wirft und Eigennutz aus seinem Wissen ziehen könnte - unter dem Deckmantel der Existenzsicherung der Mitarbeiter seines Familienbetriebes? Wir vermuten, das "richtige" Parteibuch und das "richtige" politische und wirtschaftliche Netzwerk sind mehr dafür entscheidend, wie ein Richter das Vertrauen der Öffentlichkeit misst, als die Öffentlichkeit selbst.

Wir fürchten, mit diesem Urteil macht uns Bad Windsheimer das Anbacher Verwaltungsgericht auch ein wenig zur Lachnummer. Jedenfalls hat die Entscheidung sicher keinem Bürger das Gefühl vermittelt, daß Betrug kein Kavaliersdelikt ist und ein politisches Amt und eine Vorstrafe wegen Betruges unvereinbare Dinge wären. Sebst schuld, oder?

Nun, wir treffen die vorweihnachtlich besinnliche Einschätzung, daß wir Wähler bereits am 2.März 2008 dem Richter Hugler auf dem Wahlzettel demonstrieren können, was wir als "Öffentlichkeit" von der Sache halten. Dabei wollen wir es für heute bewenden lassen und gehen jetzt noch schnell zum Hartmann, ein neues Telefon kaufen. Nein, diesmal kein Siemens, danke schön.